Als neuronale Plastizität bezeichnet man die Fähigkeit von Nervensystemen während der individuellen Lebensspanne, aber auch im Laufe der Evolution adaptiv auf Veränderungen in der Umwelt zu reagieren. Solche adaptiven, strukturellen und funktionellen Veränderungen sind eine fundamentale Eigenschaft sowohl einzelner Nervenzellen und neuronaler Netzwerke als auch ganzer Gehirnregionen und können als Reaktion auf die Entwicklung, Krankheiten, neuronale Aktivität oder durch Veränderungen im Lebensraum hervorgerufen werden. In Folge einer Erhöhung oder Verringerung der neuronalen Aktivität können Nervenzellen die Stärke ihrer synaptischen Verbindungen mit anderen Nervenzellen regulieren und anpassen. Für chemische Synapsen wurde bereits gezeigt, dass solche aktivitätsabhängigen synaptischen Veränderungen eine wichtige Rolle beim Lernen und der Gedächtnisbildung spielen. Aber auch für elektrische Synapsen im Gehirn von Wirbeltieren konnte in den letzten Jahren nachgewiesen werden, dass diese aktivitätsabhängig modulierbar und plastisch sind. Allerdings wurden in den bisherigen Studien überwiegend indirekte Methoden wie der Kopplungskoeffizient oder die Kopplungsleitfähigkeit zur Bestimmung der synaptischen Stärke verwendet und die zugrundeliegenden Mechanismen sind noch immer unklar. Daher habe ich in dieser Arbeit zunächst die indirekten Methoden zur Bestimmung der Stärke elektrischer Synapsen mit einer direkten Methode vergleichend analysiert und getestet, wie gut plastische Veränderungen der elektrischen Übertragung durch jede der Methoden charakterisiert wird. Hierfür habe ich die beiden gut zugänglichen und über elektrische Synapsen gekoppelten Retzius-Neurone im zentralen Nervensystem des Blutegels (Hirudo medicinalis) und duale intrazelluläre Ganzzellableitungen im Current- und Voltage-Clamp Modus verwendet. Ich konnte zeigen, dass nur die direkte Messung der Ströme, welche durch die elektrischen Synapsen fließen, eine genaue Charakterisierung des Zeitpunktes und der Stärke plastischer Veränderungen elektrischer Synapsen erlaubt, nicht jedoch der für gewöhnlich verwendete Kopplungskoeffizient oder die Kopplungsleitfähigkeit. Zusätzlich habe ich die Retzius-Neurone verwendet, um erstmals aktivitätsabhängige Plastizität elektrischer Synapsen bei einem Invertebraten nachzuweisen. Eine erhöhte Aktivität in einem der beiden Neurone führte zu einer Langzeitpotenzierung der elektrischen Synapsen, welche abhängig von der Dauer der Aktivität und intrazellulär verfügbarem Calcium war. Die experimentell gut zugänglichen Retzius-Neurone in Kombination mit der direkten Messung der Stärke der elektrischen Synapsen stellen demzufolge ein besonders vielversprechendes System dar, um die molekularen Mechanismen von Plastizität elektrischer Synapsen weiter aufzuklären. Als Reaktion auf Verletzungen oder Krankheiten des Nervensystems bietet neuronale Plastizität beschädigten Nervenzellen und neuronalen Netzwerken die Möglichkeit, funktionell zu regenerieren. Allerdings besitzt das Gehirn des Menschen und anderer Säugetiere im Vergleich zu den Zebrabärblingen (Danio rerio), welche eine beeindruckende Regenerationsfähigkeit aufweisen, nur ein limitiertes Regenerationspotential. Daher dient der Zebrabärbling bereits als vielversprechendes in vivo Modellsystem, um einerseits die Mechanismen neuronaler Regeneration und der Neurogenese aufzuklären und um andererseits zu verstehen, wie es möglich ist, dass ihr Gehirn die Fähigkeit zur Neurogenese und Regeneration ein Leben lang erhalten kann. In dieser Arbeit habe ich eine Methode etabliert, mit welcher es möglich ist, angereicherte neuronale Zellkulturen aus embryonalen Zebrabärblingen in einem großen Maßstab anzulegen. Hierfür wurde zunächst eine halb-automatische Dissoziation des Gewebes sowie magnetische Zellsortierung verwendet, um neuronale Vorläuferzellen zu isolieren. Anschließend konnte ich erfolgreich die in vitro-Kultur der isolierten unreifen neuronalen Zellen etablieren und zeigen, dass diese durch Zugabe von Retinsäure differenzieren und neuronale Netzwerke bilden. Die hier beschriebene Methode eröffnet erstmals die Möglichkeit, in vitro die grundlegenden Mechanismen von axonaler und neuronaler Regeneration sowie der hohen neurogenetischen Aktivität mechanistisch zu untersuchen. Neuronale Plastizität ermöglicht es den Nervensystemen von Organismen auch, auf Veränderungen in deren Umwelt adaptiv zu reagieren. Vor allem evolutionäre Anpassungen von Nervensystemen und einzelnen Nervenzellen, welche es den Tieren ermöglichen, in extremen Lebensräumen zu überleben, sind eine faszinierende Form der neuronalen Plastizität. Ein beeindruckendes Beispiel ist die Gruppe stark elektrischer Fische, welche ein spezialisiertes elektrisches Organ evolviert haben, das die Erzeugung starker elektrischer Entladungen für den Beutefang und zur Verteidigung ermöglicht. Ich habe in meiner Arbeit erstmalig untersucht, ob und in welchem Ausmaß stark elektrische Fische Anpassungen entwickelt haben, welche ihre Nervensysteme vor elektrischen Schlägen schützen. Meine Ergebnisse zeigen deutlich, dass sowohl die Motorneurone aber auch das komplette Nervensystem des Zitteraales (Electrophorus electricus) und des Zitterwelses (Malapterurus electricus) immun sind sowohl gegenüber den eigenen als auch externen Stromschlägen. Weiterhin konnte ich nachweisen, dass es möglich ist, auf der Körperoberfläche beider Tierarten deutliche Elektrokardiogramme zu messen. Diese Tatsache ist ein wichtiger Hinweis darauf, dass die Immunität gegenüber Stromschlägen nicht auf einfachen isolierenden Gewebeschichten basiert, welche die elektrisch empfindlichen Organe umgeben. Des Weiteren deuten meine Ergebnisse darauf hin, dass auch die Herzen beider Fische immun gegenüber starken elektrischen Entladungen sind. Abschließend zeigten Experimente mit einem kommerziellen Elektrofischgerät, dass das Nervensystem des Zitteraales und des Zitterwelses sogar gegenüber Stromschlägen immun ist, welche üblicherweise zur Narkotisierung von Fischen verwendet werden. Insgesamt präsentiere ich in dieser Arbeit wegweisende Ergebnisse in drei verschiedenen für neuronale Plastizität und Adaptation bedeutenden Feldern, wodurch sich komplett neue Forschungsbereiche für zukünftige Studien eröffnen.