Das Thema des anpassbaren und flexiblen Bauens ist gleichzeitig aktuell und zeitlos und war schon vielfach Gegenstand intensiver Forschung, etwa im Hinblick auf die Grundrissflexibilität, Nutzungsneutralität und Wachstumsfähigkeit des Raumes. Der gebaute Raum verändert sich stets, einerseits in immer wiederkehrenden Zyklen und auch in Folge von punktuellen Ereignissen. Wiederkehrende Zyklen, wie Wachsen und Gedeihen innerhalb der Familie, wie auch Umweltfaktoren wie Licht und Temperatur, beeinflussen kurz- und langfristig die gestaltete Umwelt. An die theoretische Annäherung an das Thema schließt ein Exkurs über die derzeitige Erfahrung im Bereich des anpassungsfähigen Wohnungsbaus an. Die konkreten Anwendungen des Konzepts der Anpassungsfähigkeit gliedern sich in zwei Haupteinrichtungen. Die erste Alternative entstand aus den Anforderungen des modernen Lebens und die zweite aus den Bedingungen der benachteiligten Schichten in Entwicklungsländern oder Katastrophenzonen. Im ersten Fall schlagen die Architekten ein flexibles, adaptierbares und barrierefreies Bauen vor, um eine größere Auswahl von Wohnwünschen und veränderten Bedürfnisse zu erfüllen. Hier sind die neuen Technologien, die heutigen Lebensformen und die Herausforderungen des Arbeitsmarkts als prägende Faktoren in die Entwurfsprozesse integriert worden. Im zweiten Fall gilt – aufgrund der in den Entwicklungsländern herrschenden Bedürftigkeit – die Forderung, die stets zunehmende Wohnungsnachfrage durch wachsendes, kostengünstiges und nachhaltiges Bauen zu erfüllen, als ein wichtiges Entwurfskriterium. Nach dem Aufzeigen aktueller Tendenzen und bedeutender realisierter Projekte werden die Anwendungen der zuvor genannten Ideen in den muslimischen Gesellschaften untersucht. Das Wohnen wird als Konzept in seiner Bedeutung und Begriffsauffassung, aber auch als räumliche Materialisierung sozialer Lebens-vorgänge und menschlicher Verhaltensweisen analysiert. Charakteristisch für die islamische Kultur ist ihre Selbstregulierende Umwelt- und Gesellschaftsbezogene Ordnung des Zusammenlebens. Das setzt sich räumlich in zentralistischen Anordnungen mit dynamischen Strukturen und organischen Wachstumsprozessen um. Eine typische Umsetzung ist die Flexibilität der Raumgestaltung: eine Wohnung besteht aus fünf funktionelle Einheiten (Wohnen, Schlafen, Essen, Kochen und Empfang) die sich im Laufe der Zeit nach Bedarf ausdehnen und wieder zusammenschrumpfen. Der empirische Teil dieser Forschung fängt mit einer Einführung des Untersuchungsfelds an. Der Beschreibung der aktuellen Situation vom Wohnungsbau in Marokko und der Typisierung und Darstellung der existierenden Wohnformen folgt eine Erläuterung der wichtigsten geplanten und realisierten Wohnprojekte, die das Thema der Anpassungsfähigkeit widerspiegeln. Im Bereich Sozialwohnungsbau ist die marokkanische Erfahrung relativ neu, aber lehrreich und kann als Grundlage für zukünftige Wohnbauprojekte dienen. Im Bereich Wohnarchitektur oder Wohnungsbauplanung sind die Entwurfsleitlinien von den Architekten und den daraus resultierenden Wohnformen oftmals weder flexibel genug noch evolutionsfähig und häufig von unadaptierten oder veralteten Modellen inspiriert. Auf diese Beschreibung und Auswertung des Kontextes baut die Felduntersuchung mit einem detaillierten Katalog von dreißig untersuchten Häusern auf. Die gesammelten Daten werden im Katalog zusammengefasst, bearbeitet und im letzten Kapitel hinsichtlich der drei Hauptthemen Anpassungsformen, Bedarfsanalyse und Grundrissanalyse untersucht. Aus der Analyse wird festgestellt, in der Anpassungsfähigkeit des Wohnens spielen die Bewohner eine primäre und grundlegende Rolle: das Wohnen ist eine Zusammenwirkung zwischen Nutzer und Raum. Aus der Betrachtung der Wohnungsnutzer und ihrer Lebensgewohnheiten zeichnen sich zwei Haupttypen von Anpassungen ab. Ein erster Typ kommt aus dem Wunsch nach mehr Breite/ Platz und ergibt sich nur durch bauliche Veränderung des äußeren Rahmens. Der andere Anpassungstyp bezieht sich auf die Innenraumgestaltung und kann durch Umbau, Umrichtung oder Umnutzung erfolgen. Auf der Basis dieser theoretischen, fachlichen und empirischen Grundlagen lassen sich mehrere Schlüsse ziehen. Das allgemeine und universelle Bedürfnis an Flexibilität setzt eine bipolare Annährungs-Logik, eine hierarchisierte zentralistische - nicht unbedingt zentralisierte - von innen strahlende Anordnung, die setzt sich als grundlegende Regel in der Anordnungsweise aller Materie voraus.