Die Dissertation untersucht ein mehr als 300 Jahre altes Rezeptbuch aus der Sammlung des Ulmer Stadtarztes Dr. Johann Franc, welcher von 1677 bis zu seinem Tode 1725 im Stadtgebiet Ulm und auch über dessen Grenzen hinaus als Allgemeinmediziner tätig war. Das Kapitel Material und Methoden befasst sich zunächst mit dem Kompendium an sich und seiner Gliederung in drei unabhängige Werke. Der erste Teil umfasst das im Rahmen dieser Arbeit transkribierte und übersetzte Rezeptbuch Praxis medica. Die Praxis medica ist ein Konglomerat aus knapp 300 Rezepten, einer Pestschrift und zwei Arztbriefen. Der Verfasser ist unbekannt. Es folgt die reindeutsche Empirica eines Meisters aus Tirol, eine volksmedizinische Rezeptsammlung eines unbekannten Tiroler Empirikers, sowie Rezeptabschriften aus den Tagebüchern der Ulmer Stadtärzte Dr. Boxbart und des Dr. Beutel. In einem kurzen Überblick wird auf den Stand der Rezeptbuch-Forschung, sowie die bereits erfolgten Untersuchungen der geläufigsten, mittelalterlichen Pestschriften eingegangen. Im Ergebnisteil wird der Versuch einer Datierung der Praxis medica unternommen, unter anderem indem auf die in den Rezepten genannten Personen eingegangen wird. Die Rezeptniederschrift konnte auf diese Weise größtenteils dem 17. Jahrhundert zugeordnet werden. Besonderes Interesse galt auch der Herkunft der Rezeptsammlung; wegen seiner unstrukturierten Form lag der Verdacht nahe, dass es sich bei dem Werk um ein Rezept(kopier-)buch aus einer Apotheke handeln könnte. Um die These zu belegen, wurden umfangreiche Recherchen zum Ulmer Apothekerwesen zu Francs Lebzeiten angestellt, sowie Francs Werke auf Nennungen der Apotheker durchsucht. So konnte ein Profil seiner sozialen Kontakte zu den Ulmer Apotheken erstellt werden, jedoch ergab sich kein eindeutiges Ergebnis bezüglich des Urhebers. Es folgt die Analyse der Rezepte der Praxis medica. Die knapp 300 Verschreibungen werden nach Therapieform, Indikation und Inhaltsstoffen ausgewertet und diskutiert. Die Behandlungsmethoden und Zutaten werden zudem nach heutigem Wissensstand in ihrer Wirksamkeit bewertet. Auch auf den klassischen Rezeptaufbau wird vergleichend eingegangen. Im Diskussionsteil ist das erste Kapitel Pharmakopöen im Wandel der Zeit gewidmet. Von der ersten deutschen Pharmakopöe bis Ende des 17. Jahrhunderts wird die Entwicklung der Apothekenfachliteratur dargestellt und anschließend auf Einflussnahme auf das hier thematisierte Rezeptbuch hin untersucht. Es folgt eine Analyse der Fachliteratur vom 18. Jahrhundert bis heute, mit einer detaillierten Untersuchung des neuen Rezept-Formulariums (NRF) und seiner Vorgänger. Um das Pestregimen in seinen Teilaspekten verstehen zu können, wird der medizingeschichtliche Hintergrund der Pest genauer beleuchtet: die gebräuchlichen „Pesttheorien im Mittelalter und Neuzeit“ sind mit ausschlaggebend für den neuen Literaturzweig der Pestregimen. Der Abschnitt „Pestausbrüche in Ulm“ stellt den Bezug zu Franc her. Es wird unter anderem die Frage erörtert, ob Franc das Pestregimen abgeschrieben haben könnte; Plagiate waren damals ein Zeichen der Wertschätzung des Autors gegenüber und galten als Beweis die gängige Literatur zu kennen. Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, wurde die damals übliche Pestlektüre überprüft. Die empirischen Praktiken wandelten sich im Laufe der Zeit, ebenso wie die Literatur dazu immer ausführlicher wurde. Ein Vergleich des Franc’schen Textes mit Jakob Engelins ’also das ein mensch zeichen gewun’ (um 1400) zeigt, dass Franc sich stark an diesem Werk orientiert hatte. Auch Übereinstimmungen mit früheren Pestschriften wie ’der Sinn der höchsten Meister von Paris’ (um 1350), ’Pestbrief an die Frau von Plauen’ (1366) und dem ’Prager Sendbrief Missum Imperatori’ (1371) wurden nachgewiesen. Schließlich folgt die Abhandlung der zwei Epikrisen, „Casus Dubius, ein zweifelhafter Fall“ und „Arztbrief des Matthäus Seutter“. Es wird auf den Aufbau der Epikrisen eingegangen und die Diagnosen und Therapieansätze diskutiert. Da es sich in beiden Fällen um unklare Diagnosen handelt, bei Franc um einen ’Polyp im Herzohr mit Ansatz zur Brustwassersucht’ und bei Seutter um einen ’Mangel der Augen’, können an dieser Stelle nur Vermutungen angestellt werden, um welche Erkrankungen es sich tatsächlich gehandelt haben möge. Im Anhang des Werkes befindet sich die Transkription und Übersetzung des Rezeptbuchs, welches auf Latein und Frühneuhochdeutsch verfasst ist. Die über 70 Seiten fassende Übersetzung beinhaltet einige Abkürzungen, alchemistische Zeichen, Mengenangaben und Heilmittel, welche oftmals nicht ohne Weiteres nachzuvollziehen sind: Hierfür findet sich anbei ab Seite 179 eine entsprechende Listung zum Nachlesen.