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Der weltweit stark wachsende Energiebedarf wird bislang hauptsächlich durch fossile Energieträger mit limitierter Verfügbarkeit gedeckt, so dass die langfristige Aufrechterhaltung des Lebensstandards und insbesondere der Verkehrsinfrastruktur alternative Energieträger aus regenerativen Quellen erfordert. Da der überwiegende Teil heutiger Technologien zum Personen- und Gütertransport auf flüssigen, kohlenstoffbasierten Energieträgern beruht, besteht eine naheliegende Alternative in Kraftstoffen aus nachwachsender Biomasse. Vor diesem Hintergrund strebt der Exzellenzcluster "Tailor-Made Fuels from Biomass" (TMFB) der RWTH Aachen eine zielgerichtete Anpassung der gesamten Wertschöpfungskette von Biomasse zum Kraftstoff an, wobei sowohl die Entwicklung neuer Synthesewege als auch die Identifizierung neuartiger Kraftstoffkomponenten für eine effiziente und emissionsarme motorische Anwendung im Fokus stehen. Etablierte Biokraftstoffe basieren größtenteils auf der Nachahmung fossiler Kraftstoffstrukturen und sind maßgeblich aus bekannten Synthesen von Biomasse erwachsen. Der Wechsel der Rohstoffbasis sowie die damit einhergehenden, neuen Synthesewege erlauben jedoch die Suche nach neuartigen Strukturen mit möglicherweise besseren motorischen Eigenschaften. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich daher auf die Anwendung und Weiterentwicklung von Methoden zur systematischen Ermittlung molekularer Strukturen mit optimalem Reinstoffverhalten bei der ottomotorischen Verbrennung, wozu bislang kein Ansatz existiert. Leitlinien aus der Entwicklung chemischer Produkte werden hierzu auf die Fragestellung des Kraftstoffdesigns übertragen, wozu motorische Erfordernisse zunächst in quantifizierbare Bewertungskriterien in Form von thermophysikalischen und verbrennungskinetischen Stoffgrößen übertragen werden. Die Identifizierung bestmöglicher Kraftstoffe erfordert eine rigorose Suche im gesamten Raum möglicher Moleküle, der durch Anwendung verfügbarer Strukturgeneratoren auf graphentheoretischer Basis aufgespannt wird. Im Fokus der Arbeit steht daher die zielgerichtete Anwendung und Weiterentwicklung verfügbarer Stoffdatenmodelle zur Prädiktion motorrelevanter Stoffgrößen auf Basis der molekularen Struktur aller generierten Kraftstoffkandidaten. Eine Analyse verfügbarer Klassen von Stoffdatenmodellen in Hinblick auf die Anforderungen des Kraftstoffdesigns ergibt klare Vorteile bei der Anwendung empirischer, quantitativer Struktur-Eigenschafts-Beziehungen (QSPR), da sie eine schnelle und direkte Bewertung der thermophysikalischen Stoffgrößen der Vielzahl zu bewertender Strukturen erlauben. QSPR werden daher zunächst eingehend untersucht, wobei insbesondere erstmalig der Einfluss verschiedener, vielfach verwendeter Modelle zur Optimierung molekularer Geometrien auf die Prädiktionsgüte der resultierenden QSPR ermittelt wird. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass etablierte Modellierungstechniken bei der gegenwärtigen Entwicklung hin zu immer weiteren Deskriptoren an Prädiktionsgenauigkeit verlieren. Ebenso werden klare Synergien zwischen empirischer und physikalisch motivierter, quantenmechanischer Stoffdatenmodellierung aufgezeigt, die in der Literatur bislang keine Berücksichtigung finden. Darüber hinaus werden empirische QSPR mit einem physikalisch motivierten Modell aus der thermischen Flammentheorie kombiniert, um die verbrennungskinetische Stoffgröße der laminaren Brenngeschwindigkeit auf Basis der molekularen Struktur vorherzusagen. Während die Ergebnisse dieses neuartigen Ansatzes die generelle Machbarkeit der Vorgehensweise klar belegen, verhindert die geringe Verfügbarkeit von Messdaten oxygenierter Kohlenwasserstoffe die Anwendung des ermittelten Hybridmodells innerhalb des Kraftstoffdesigns. Mittels der ermittelten QSPR thermophysikalischer Stoffgrößen wird der gesamte Raum molekularer Kraftstoffkandidaten anschließend hinsichtlich der Kraftstoffeignung bewertet. Der initiale Raum von ca. 170 Mio. Molekülen kann so auf wenige hundert vielversprechende Strukturen reduziert werden, deren Zündverhalten sowie synthetische Zugänglichkeit aus Biomasse im Anschluss untersucht werden. Insbesondere einige Aldehyde und Ketone zeigen dabei sowohl aus Produkt- als auch aus Synthesesicht besonders attraktive Eigenschaften, obwohl sie bislang nicht als ottomotorische Kraftstoffe in Betracht gezogen wurden. Neben der Identifikation molekularer Strukturen mit vielversprechenden Eigenschaften für eine Verwendung als reine, biobasierte Ottokraftstoffe zeigt die vorliegende Arbeit ebenso allgemeine Chancen und Limitierungen der modellbasierten Suche nach flüssigen, biogenen Energieträgern auf. Diese Erkenntnisse können in die Bewertung neuartiger Biokraftstoffe für dieselartige Brennverfahren einfließen und dienen überdies als solide Grundlage für eine Ausweitung der Suche auf Kraftstoffgemische.