Glycerin ist ein nachwachsender Rohstoff, der als C-Quelle von Mikroorganismen wie z. B. Escherichia coli (E. coli) für die Produktion von Fein- und Massenchemikalien genutzt werden kann. In E. coli wird Glycerin durch Diffusion oder erleichterte Diffusion über den Glycerinfacilitator GlpF aufgenommen. Unter aeroben Bedingungen wird Glycerin über die ATP-abhängige Glycerinkinase GlpK zu Glycerin-3-Phosphat (G3P) phosphoryliert. Anschließend wird G3P über die G3P-Dehydrogenase GlpD zu Dihydroxyacetonphosphat (DHAP) oxidiert und geht dann in den Zentralstoffwechsel ein. Die üblicherweise für die mikrobielle Produktion von Fein -und Massenchemikalien eingesetzte C-Quelle Glucose wird PEP-abhängig in die Zelle aufgenommen. Bis zum Erreichen des DHAP werden hier keine Reduktionsäquivalente gebildet, weshalb insgesamt weniger ATP über die Atmungskette regeneriert werden kann. Somit können reduzierte Metabolite, oder Substanzen, die mit hohem ATP-Aufwand synthetisiert werden, mit Glycerin in höheren Ausbeuten gebildet werden. Daher erscheint die Verwendung von Glycerin für die Biosynthese von aromatischen Aminosäuren als sinnvoll. Die Verwendung von Glycerin hat aber auch Nachteile, wie das langsamere Zellwachstum. Zurückzuführen ist dies vermutlich auf Limitierungen im Stoffwechsel durch GlpK oder der Reaktion von Fructose-1,6-Bisphosphat (Fru-1,6-BP) zu Fructose-6-Phosphat (F6P). In der vorliegenden Arbeit wurde daher am Beispiel der L-Phenylalaninproduktion untersucht, wie mögliche Limitierungen durch metabolic engineering oder verbesserter Fermentationsführung umgangen werden können. Auch der direkte Einsatz von Rohglycerin wurde untersucht. Weiterhin war gezeigt worden, dass die Phosphoenolpyruvat (PEP) und Erythrose-4-Phosphat (E4P) limitierend für die Produktion aromatischer Stoffe sind. Dies war durch die Überexpression von tktA, dem Gen für die Transketolase oder der Inaktivierung von pykA oder pykF, den Genen für die Pyruvatkinasen A und F behoben worden. In der vorliegenden Arbeit wurde deshalb untersucht, ob diese Limitationen auch bei Glycerin als C-Quelle auftreten. Als Modellorganismus wurde der E. coli-Stamm FUS4/pF81 verwendet. Es wurde gezeigt, dass das Wachstum von FUS4/pF81 mit Glucose (Glu), Glycerin (Gly) oder Rohglycerin (RG) deutlich schneller war (Glu µ = 0,49 ± 0,1 h-1; Gly µ = 0,26 ± 0,1 h-1; RG µ = 0,32 ± 0,1 h-1) die C- und die Raum-Zeit-Ausbeuten von Glycerin und Rohglycerin aber deutlich höher waren (Glu: 18,8 ± 2,0 %, 0,13 ± 0,1 g/l/h; Gly: 26,3 ± 0,3 %, 0,26 ± 0,1 g/l/h; RG: 23,2 ± 4,5 %, 0,22 ± 0,05 g/l/h). Es wurde auch gezeigt, dass das Absenken der O2-Verfügbarkeit vorteilhaft ist. Bei 60% O2-Sättigung wurde eine C-Ausbeute von 18,3 ± 2,5 % und eine Raum-Zeit-Ausbeute von 0,21±0,02 g/l/h erreicht. Bei 20% O2-Sättigung wurden dagegen 26,3 ± 0,3 % und 0,26 ± 0,1 g/l/h erhalten. Die Beobachtung, dass durch höhere O2-Verfügbarkeit der Glycerinverbrauch erhöht (60% O2: 124,7±10,8g; 20% O2: 99,4±4,3g), die Produktbildung aber verringert wurde (Endkonzentration L-Phenylalanin: 60% O2: 7,9±0,2g; 20% O2: 9,4±0,7g), zeigt, dass die Aktivität von GlpK nicht limitierend ist. Untersuchungen an ΔpykA- oder ΔpykF-Stämmen zeigte, dass die Deletion des Gens pykA deutlichere Effekte auf die L-Phenylalaninproduktion ausübte, als die von pykF. Mit dem ΔpykA-Stamm war der Glycerinverbrauch von 124,7±10,8g auf 68,9±10,3g verringert und gleichzeitig die gebildete Menge an L-Phenylalanin gesteigert (von 7,9±0,2 g/l auf 9,5±0,8 g/l). Es wurde eine Steigerung der C-Ausbeute von 18,1±2,3 % auf 33,3±2,7 % erreicht. Die Reaktion von Fru-1,6-BP zu F6P und die E4P-Bereitstellung sind eng verknüpft, da TktA nicht nur über den oxidativen Pentosephosphatweg E4P erzeugt, sondern auch F6P und Glycerinaldehyd-3-Phosphat zu Xylulose-5-Phosphat und E4P umsetzen kann. Daher wurde dies gemeinsam untersucht. Es zeigte sich, dass die Überexpression von glpX, dem Gen der Fru-1,6-BPase II, oder tktA alleine keine deutliche Verbesserung brachte, die gemeinsame Überexpression aber zu einer Steigerung in der Raum-Zeit-Ausbeute von 0,21±0,01 g/l/h auf 0,40±0,02 g/l/h führte. Durch Kombination der pykA-Deletion mit der Überexpression von glpX und tktA konnte aber die hohe Raum-Zeit-Ausbeute des einen Stammes nicht mit der hohen C-Ausbeute des anderen Stammes vereint werden. Nach der Deletion der Gene beider Pyruvatkinasen wurde dem Stamm für das Wachstum zusätzlich Lactat gefüttert, um den TCA-Zyklus zu erreichen. In der Produktionsphase nur auf Glycerin wurde dann kurzzeitig eine sehr hohe Produktivität mit 90% C-Ausbeute und 0,63±0,03 g/l/h Raum-Zeit-Ausbeute erreicht. Es konnte somit gezeigt werden, dass die Verwendung von Glycerin oder Rohglycerin anstelle von Glucose für die L-Phenylalaninproduktion nicht nur möglich, sondern auch vorteilhaft ist, da mit dieser C-Quelle hohe C- und Raum-Zeit-Ausbeuten möglich sind.