Unter Störungen, Unterschiede oder Varianten der Geschlechtsentwicklung (DSD) werden Diagnosen zusammengefasst, bei denen die Betroffenen nicht oder nur teilweise die typische weibliche oder männliche Geschlechtsentwicklung durchlaufen. Es werden drei Untergruppen unterschieden: „Geschlechtschromosom DSD“, „46,XY DSD“ und „46,XX DSD“. Die Gruppe „46,XY DSD“ (XY DSD) setzt sich aus Individuen zusammen, die einen männlichen Karyotyp besitzen und Störungen der testikulären Entwicklung, der Androgensynthese oder der Androgenwirkung aufweisen. Das Ziel dieser Arbeit ist, den physischen und subjektiven Gesundheitszustand von Individuen mit XY DSD zu erfassen. Methodik: Diese Arbeit wertete retrospektiv Daten aus, die im Rahmen der „dsd-LIFE“ Studie von Februar 2014 bis September 2015 in den Ländern Frankreich, Deutschland, Niederlande, Polen, Schweden und das Vereinigte Königreich erhoben wurden. Eine Förderung erfolgte durch das 7. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Union (FP7/2007– 2013; n°305373). Insgesamt wurden 1040 Individuen mit DSD eingeschlossen. Ich analysierte die Daten der XY DSD Kohorte. Der Schwerpunkt lag auf den Bereichen Metabolismus, Knochengesundheit, subjektiven Gesundheitszustand und Komorbiditäten. Die erhobenen Daten wurden mit Referenzwerten von Eurostat, der WHO und der DECODE Studie deskriptiv verglichen. Ergebnisse: Insgesamt umfasste die XY DSD Kohorte 222 Patienten. Das durchschnittliche Alter betrug 28,8±12,2 Jahre, die durchschnittliche Größe 175,3±7,7 cm, das durchschnittliche Gewicht 74,3±20,0 kg und der durchschnittliche BMI 24,1±6,0 kg/m2. Die Rate an Adipositas unter den Probanden war deskriptiv verglichen mit Referenzwerten von Eurostat nicht erhöht. Der durchschnittliche HOMA-IR betrug 2,3 ±1,7, während 14/175 (8,0%) der Individuen mit XY DSD ein metabolisches Syndrom aufwiesen. Die Individuen mit XY DSD erreichten bessere Werte im deskriptiven Vergleich mit Referenzwerten in den Kategorien Taillenumfang, Glukose, Triglyzeride, Gesamtcholesterin und HDL- Cholesterin. Im Bereich Knochengesundheit zeigte sich bei Probanden mit verfügbaren Knochenmineraldichtewerten, dass 19/122 (15,6%) an der Lendenwirbelsäule einen Z- Score ≤ - 2,0 aufwiesen, was auf eine erniedrigte Knochenmineraldichte an dieser Stelle hinweist. Vor allem bei Individuen mit kompletter Androgenresistenz konnte ein Z-Score ≤ - 2,0 an der Lendenwirbelsäule nachgewiesen werden (10/19; 52.6%), trotz intakter Gonaden, Estrogen - oder Testosteronsubstitution. Im Bereich der subjektiven Gesundheit berichteten weniger Individuen mit XY DSD von einer sehr guten oder guten allgemeinen Gesundheit verglichen mit der Referenzpopulation von Eurostat. Schlussfolgerung: Die Individuen mit XY DSD berichteten von einem schlechteren subjektiven Gesundheitszustand als die vergleichbare europäische Bevölkerung. Nichts desto trotz war ihr objektiver metabolischer Gesundheitszustand gut, ausgenommen einer erniedrigten Knochenmineraldichte der Lendenwirbelsäule bei Individuen mit kompletter Androgenresistenz.