Müdigkeit am Steuer stellt im Straßenverkehr eine erhebliche Gefahr dar, von der insbesondere berufliche Langstreckenfahrer im Transportwesen betroffen sind. Systeme zur Müdigkeitserkennung sollen müdigkeitsbedingte Unfälle im Straßenverkehr verhindern. Auf Basis von Risikomodellen wurde die Befürchtung abgeleitet, Fahrer könnten ihr Verhalten in unerwünschter Weise an diese Systeme anpassen und den erstrebten Sicherheitsgewinn wieder nivellieren. Eine unerwünschte Verhaltensanpassung wäre eine Verlängerung der Fahrt trotz starker Müdigkeit des Fahrers. In der vorliegenden Arbeit geht es um die prospektive Evaluation eines Systems zur Müdigkeitserkennung im Fahrzeug, mit dem Ziel, Gestaltungsempfehlungen abzuleiten, die zur Verhaltenswirksamkeit der Rückmeldung und zur Vermeidung von Risikokompensation beitragen. Verhaltensanpassungen in Reaktion auf ein System zur Müdigkeitserkennung wurden in dieser Arbeit in einer Fahrsimulatorstudie nachgewiesen. Personen fuhren signifikant länger, wenn ein System zur Müdigkeitserkennung im Fahrzeug war und sie schätzten sich auch wacher ein. Statt einer Selbstüberschätzung scheint das System zur Müdigkeitserkennung (vor jeder Rückmeldung) aktivierend auf die Fahrer zu wirken, wie objektive Müdigkeitseinschätzungen einer Videoanalyse und Fahrleistungsdaten nahelegen. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Beobachtung durch das System eine höhere Leistungsmotivation bewirkt, gegen die Müdigkeit anzukämpfen und weiterzufahren. Der Zweck eines Systems zur Müdigkeitserkennung sollte allerdings nicht darin liegen, die Fahrer zur Weiterfahrt in übermüdetem Zustand zu motivieren. Stattdessen sollte die Systemrückmeldung den Fahrer dazu veranlassen, bei eingeschränkter Fahrtüchtigkeit möglichst umgehend anzuhalten. Bislang fehlen gesicherte Erkenntnisse, wie die Rückmeldung gestaltet sein sollte, um die Motivation zu unerwünschten Verhaltensänderungen zu minimieren. Drei weitere empirische Studien trugen dazu bei, Empfehlungen für die Gestaltung der Systeme zu formulieren. Ergebnisse zeigen, dass Berufskraftfahrer die aus der Theorie zur Risikokompensation abgeleiteten Befürchtungen unerwünschter Verhaltensanpassungen an das System bestätigen, insbesondere, wenn das System durch eine Aktivierung des Fahrers eine Weiterfahrt trotz starker Müdigkeit ermöglicht. Berufskraftfahrer bezweifeln, dass Systeme ihnen dabei helfen könnten, die Selbstüberwachung zu verbessern oder sie sogar dazu zu bringen könnten, mehr Pausen einzulegen. Sie sehen als wichtige Ansatzpunkte für eine verhaltenswirksame Rückmeldung die Einbindung sozialer Kontrolle, die Schaffung unangenehmer Umgebungsbedingungen bei einer Weiterfahrt in übermüdetem Zustand, ein erzwungenes Anhalten des Fahrzeugs im Falle extremer Müdigkeit sowie die Nutzung der Müdigkeitsbewertungen des Systems als legitime Rechtfertigung für mögliche Verspätungen gegenüber Arbeitgeber oder Kunden. Um unerwünschte Verhaltensadaptationen zu vermeiden, sollten übermüdete Fahrer die Aktivierung durch das System nicht zu einer verlängerten Weiterfahrt zweckentfremden können. Darüber hinaus finden sich Hinweise, dass von einer höheren Automatisierung auch eine stärkere Tendenz zur Weiterfahrt in übermüdetem Zustand zu befürchten ist. Bestimmte Rückmeldungseigenschaften können dabei helfen, den Fahrer zu einer baldigen Unterbrechung der Fahrt zu bewegen. Sie können unter den Kategorien Wahrnehmbarkeit, Assoziation mit Ermüdung, vermittelte Gefahr, Akzeptanz, Dringlichkeit und Wichtigkeit zusammengefasst werden. Diese Lösungsvorschläge sind zukünftig daraufhin zu prüfen, inwieweit sie tatsächlich realisierbar und wirksam sind.